Wie kann ich die Booklets einsetzen?

Für Eltern / Bezugspersonen

Meiner Tochter/meinem Sohn geht es nicht gut, das sehe ich. Auch ich habe eine sehr schwere Zeit gehabt und auch mir geht es nicht gut.

Mit der Vergangenheit zu leben kann eine große Herausforderung sein. Vielen Menschen hilft es, über das Erlebte mit jemandem zu sprechen, dem sie vertrauen können. Für Kinder jeden Alters ist es wichtig zu sehen, dass ihre Eltern sich helfen lassen, damit es ihnen wieder besser geht.

Ich möchte meinem Sohn/meiner Tochter gerne helfen, ich habe auch schon vieles versucht, aber nichts scheint zu wirken.

Es braucht viel Zeit, schmerzliche Erfahrungen zu verarbeiten und im Alltag wieder zurecht zu kommen. Das erfordert viel Geduld von allen, die mit Betroffenen leben. Jugendliche brauchen vor allem gleichaltrige Freunde, mit denen sie sprechen und gemeinsam Spaß haben können. Auch Sport in der Gruppe und gemeinsame Ausflüge können hilfreich sein.

Meine Tochter/mein Sohn hat sich sehr verändert.

Nach einer sehr schwierigen Zeit reagiert der Körper auf den Stress von damals. Manche Menschen können nicht gut schlafen, andere sind sehr unkonzentriert oder merken sich wenig, starke Gefühle wie Wut und Angst zeigen sich, manche Menschen reden viel über das Erlebte, andere ziehen sich lieber zurück. Und viele leiden unter körperlichen Schmerzen. All diese Reaktionen sind ganz normal. Unsere Booklets erzählen davon und geben Ideen, wie man sich selbst helfen kann.

Meine Tochter/mein Sohn hat wenig Kraft und Energie. Sie/Er hat wenig Kontakt und zeigt kaum Interesse.

Es kann sein, dass ihre Tochter/ihr Sohn nach allem, was sie/er erlebt hat, sehr traurig ist und wenig Hoffnung hat. Wenn wir etwas Wichtiges verlieren (zum Beispiel die Heimat, einen geliebten Menschen, Gewohnheiten oder etwas ganz anderes), sind wir alle sehr traurig. Jede Kultur und jede Religion kennt Rituale und Regeln, die uns dabei helfen, mit einem Verlust zurecht zu kommen. Trauerrituale kann man auch nachholen. Man kann Rituale auch verändern oder neu erfinden, damit sie zu einer neuen Situation gut passen.

Was kann meiner Tochter/meinem Sohn helfen?

Wir alle brauchen das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Im Zusammenleben können Sie ihr/ihm sehr viel Halt geben. Hier einige Anregungen:

  • Informationen und Erklärungen helfen uns, zu verstehen. Besonders dann, wenn Menschen viel Stress hatten oder haben, kann es notwendig sein, Informationen und Erklärungen immer wieder zu wiederholen. Hier braucht es vor allem Zeit und Geduld. Die Booklets erklären, warum es nach einer schrecklichen Zeit nicht einfach ist, wieder ein Leben wie früher zu haben. In den Booklets gibt es auch Ideen, wie man sich helfen kann.

  • Eine klare Zeiteinteilung und Regelmäßigkeit geben eine gute Orientierung. Manche Jugendliche können sich ihre Zeit recht gut selbst einteilen, manche brauchen dabei viel Unterstützung. Zum Beispiel kann es hilfreich sein, gemeinsam die Zeiten fürs Lernen und Schlafengehen festzulegen.

  • Menschen, die durch andere Menschen gelitten haben, brauchen vor allem heilsame Beziehungen, damit sie wieder lernen zu vertrauen. Es kann sehr heilsam sein, wenn Sie Zeit für Gespräche finden, einander zuhören, gemeinsam essen und spielen, Humor zeigen und auf Strafen verzichten, denn für jedes Verhalten gibt es eine Erklärung. Vielleicht finden Sie in einem der Booklets Ideen dazu.

Für Lehrer:innen/Betreuer:innen

Wie kann ich die Booklets einsetzen?

Viele Jugendliche lesen die Booklets gern selbstständig.

Leseungewohnte Jugendliche könnten davon profitieren, die Geschichten gemeinsam zu lesen, die Bilder miteinander zu betrachten und über Details in den Bildern zu sprechen.

Wichtig: Fragen Sie die Jugendlichen nicht nach Details und zwingen Sie sie nicht, etwas zu erzählen oder mehr zu erzählen.

Wer leidet, muss die volle Kontrolle darüber haben, was er/sie teilen möchte und was er/sie für sich behalten will! Es ist wichtig, die Lebensgeschichte und das erlittene Leid anzuerkennen. Das geht am besten durch Zuhören.

Kreativer Zugang

Manche haben Freude daran, die Bilder auszumalen. Manche möchten eine Szene in einem kleinen Theaterstück spielen, vielleicht etwas in einem Lied oder einem Tanz ausdrücken. Wichtig ist, dass die kreative Auseinandersetzung mit den Texten/Bildern freiwillig ist.

Sie könnten die folgenden Reaktionen beobachten

Bei den Jugendlichen

Viele Jugendliche sind nach dem Lesen sehr ruhig und zurückgezogen. Dies ist ein gutes Zeichen dafür, dass eine innere Verarbeitung stattfindet. Geben Sie den Jugendlichen nach dem Lesen Zeit für sich.

Manche Jugendliche möchten nach dem Lesen gern ein wenig über ihre eigenen Erfahrungen sprechen. Geben Sie den Erzählungen ausreichend Zeit.

Bei sich selbst

Zuzuhören heißt, sich einzulassen. Es kann durchaus erschütternd sein, was traumatisierte Menschen zur Sprache bringen. Wichtig ist für den Zuhörenden die Bereitschaft, auszuhalten, was gesagt wird. Da es oft um großes Unrecht, Leid und Tod geht, sind viele Emotionen im Spiel. Es kann also durchaus passieren, dass dem Zuhörenden auch die Tränen kommen. Es sollte dann verbalisiert werden, dass das Tränen des Mitgefühls und nicht Tränen der Schwäche sind.

So kann ein Gespräch gelingen

Wenn Vertrauen aufgebaut ist, wächst manchmal das Bedürfnis, von traumatischen Erlebnissen zu erzählen und mit dem Erlittenen anerkannt zu werden.

Um beide Gesprächspartner zu schützen, sollte für ein solches Gespräch ein möglichst klarer Rahmen geschaffen werden: zeitlich begrenzt und in einem ungestörten Raum, in dem sich beide wohlfühlen.

Zum Abschluss des Gesprächs braucht es noch einige Minuten Zeit, um wieder ganz im ”Hier und Jetzt“ anzukommen. (z.B. ein Fenster öffnen, sich bewegen, Arme und Beine ausschütteln, noch gemeinsam eine Tasse Tee trinken, über die Pläne für den restlichen Tag reden)